.. bis er sie versucht hat." (Goethe)
Lustig, wie schnell man vergessen, wie
schnell man verdrängen kann.
Gut, Letzteres trifft es wohl eher auf
den Punkt. Weshalb sonst sollte jemand sich freiwillig immer wieder
von Neuem auf etwas so absurd Klingendes und sich in der Umsetzung
noch viel absurder Gestaltendes einlassen? Die Rede ist nicht von
Tattoos, welche zwar ebenfalls noch immer – wenn auch an Häufigkeit
abnehmend – die Köpfe manch eines zum fassungslosen Schütteln
bewegen. Nein, ich spreche von sogenannten Extrem-Crossläufen. Noch
nie gehört? Wird seinen Grund haben.
Man nehme 4-5 Tausend laufwütige
Sportler, schraube die Temperatur auf das Niedrigste herunter und
jage sie dann 15-20 km durch einen Parkour aus zähflüssigem Dreck,
Kohlenmono- und dioxid in die zuhöchst darüber erfreuten Lungen
pressenden, qualmenden Feuer, mit Gehirnfrost garantierenden
Eisschollen bestückte Wasserhindernisse, ca. 40cm über dem Boden
gespannten Stacheldraht, in luftige Höhe aufragende Holz- und
Seilkonstruktionen, mit Stromschläge austeilenden Schnüren und
Holzbalken behängte Dunkelkammern und ähnliche Spaß versprechende
militärische Freudenbereiter.
Was könnte es Schöneres geben?
Ich muss dazu sagen, dass nach einer
bestimmten Anzahl passierter Wasserhindernisse mit Glück sämtliche
Schmerzreize der Füße bereits nicht mehr das dafür zuständige
Gehirnareal erreichen, die von Eisschollen und Steinen zerkratzten
Schienbeine kaum noch registriert werden und das austretende Blut
sich so oder so mit den Tonnen am Körper haftenden Schlammbrocken
vermischen. Vor den Wadenkrämpfen hat man meist bis zum zweiten
Drittel der Strecke noch seine Ruhe, bis sie einen dann urplötzlich
gen Ende zu überkommen, ins Straucheln bringen und sich hartnäckig
in die strapazierten Muskelfasern krallen. Dass man von den Stiefeln
seiner Mitstreiter ausversehen (so hoffe ich zumindest) getreten
wird, kommt nicht ständig – jedoch auch nicht selten vor, macht
aber zumindest für einen kurzen Moment wieder wach bzw. reißt einen
aus der Trance heraus, in die man während der ganzen Tortur oftmals
verfällt.
Nach 1 ½ – 5 Stunden robbt man dann
erschöpft, unterkühlt, zerschrammt und eingeschlammt ins Ziel und
bekommt einen Plastikbecher heißen Kakao in die Hände gedrückt,
von dem über die Hälfte gleich wieder auf den Boden wandern (die
andere Hälfte in´s Gesicht), da man dermaßen unkontrolliert zittert,
dass es schon eine enorme Herausforderung darstellt, den
Plastikbecher nicht zwischen den tauben Händen zu zerquetschen. Aber
wir lieben ja schließlich die Herausforderung.
Da die Identifikation des Läufers zu
diesem Zeitpunkt durch die sorgfältig verteilte Schlammkruste für
gewöhnlich ein Ding der Unmöglichkeit darstellt, wird nun erstmal
(nach inzwischen völligem Verschütten des Kakaos) unter den aus
aufgehängten Schläuchen austretenden Wasserrinnsalen eine „Dusche“
genommen – selbstverständlich ebenfalls eiskalt.
Und das alles für sagenhafte 80€ –
100€ Anmeldegebühr! Was ein Schnäppchen!
Wer sich nach genau solch einem
freudigen Spektakel sehnt, sollte den ToughGuy™
in England keinenfalls versäumen, auf seiner To-Do Liste für´s
Leben zu platzieren.
Das Faszinierende an der ganzen
Geschichte ist ja, dass man sich kurz nach Erreichen des Ziels, wenn
schmerzhaft das Blut beginnt sich in den nahezu gefühlstoten Zehen
und Finger wieder zu melden, ein jedes Mal fragt, weshalb in Gottes
Namen man sich nur auf etwas Derartiges einlassen konnte? Man schwört
seinem geschundenen Körper hoch und heilig ihm nie wieder solchen
Strapazen freiwillig auszusetzen. Und bereits zwei Monate später
steht man bereits siegessicher vor der nächsten Startlinie.
Erklären kann ich mir das nur durch
die selektive Ignoranz meines Gehirns. Dieses aktive Verdrängen
bewirkt, dass ich ganz und gar die quälenden Anstrengungen zu
verdrängen lerne und nur noch die Euphorie, die Medaille (an einem
einfachen Plastikbändchen baumelnd, wohlbemerkt) und den Stolz
darüber durchgehalten und überlebt zu haben, vor Augen habe.
..und übrigens:
"Ich will keine
normalen Menschen. Ich will die kaputten mit Charakter und Geschichte
dahinter..."
(Zitat: Michael Kalinowski, Getting Tough e.V.)
Tough Guy Race 2013
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen