Montag, 22. Juli 2013

Das Tarp...

...oder: warum man besser den Ratschlägen alter Campinghasen folgen sollte.

Das Aufbauen war easy. Während meine beiden Kollegen sowie die zehnköpfige Klasse welche uns zuvor durch den 1. Teil der Operation: „Schluchtensteigwanderung“ gejagt hatte,  sich noch lustige Duelle mit ihren dickköpfigen Zelten lieferten, hatte mein nächtlicher Unterschlupf sich bereits nach drei Minuten fest im Boden verankert. Mein Kunstwerk bestand darin, eine Schnur zwischen einem Baum (tief) und einer Aluklappleiter (hoch) zu spannen, darüber eine Plane zu schmeißen und diese an acht Enden mit Häringen in den Boden zu rammen.

Während ich dann beim gemütlichen, abendlichen Fressen Fassen mit der Gruppe zusammen saß, bemerkte ich, als ich zufällig gerade nicht gierig meinen Kopf im Teller Spaghetti versenkte, wie zwei ältere Herren vor meiner tollen Konstruktion Halt machten und ratlos (oder fassungslos) ihre Köpfe schüttelten. Aus Angst ich könnte ausversehen meinen Unterschlupf auf ihrem Grundstück geparkt haben, lief ich zu ihnen und fragte höflich nach, ob mein Zelt sie etwa störe.
Sie verneinten lachend und antworteten, sie haben sich nur nicht vorstellen können, dass darin tatsächlich jemand nächtigen wolle.
„Nichrchrt aainmaal aaine Aaingangstürchre chrat es! Da chron man joa raain schaauen!“
Schweizer.

Nach gefühlt einer Stunde väterlicher Besorgnis und gut gemeinter Ratschläge – gerade einmal 6°C bis 12°C solle es nachts geben, der Tau krieche sicherlich langsam aber grausam durch die zarte Plane hindurch, fürchterlich frieren würde ich ohne Eingangstüre, jaja…- brachte mir einer der beiden sogar noch eine weitere Plane vorbei, welche ich zusätzlich über mein Quartier werfen solle und wünschte mir eine angenehme Nacht. Ich legte die Plane fürsorglich zum Tarp. 
Neben dran. 
Mit anderthalb Metern Sicherheitsabstand dazwischen.
Kluge Idee.

Ich muss dazu sagen, ich hatte für die Klassenreise absichtlich auf meinen Winterschlafsack verzichtet und stattdessen eine Wolldecke mitgebracht, da ich zwei Tage zuvor bereits mit dieser, im Freien auf einem Turm (andere Geschichte) mir die Nacht um die Ohren geschlagen hatte die Nacht verbracht hatte.

Ich kuschle mich also rollmopsartig in den Schlafsackersatz ein, robbe wurmartig und leicht unbeholfen auf die Isomatte und höre den niedlichen Klängen Lil Johns & Crew, die sanft aus den dünnen Wänden meines Nachbarzeltes durch die Dämmerung zu mir herüber getragen…
Hip Hop?! Scheiße ich hasse Hip Hop… und Stimmen die jede einzelne Zeile eines Liedes laut kommentieren müssen… und Menschen die mit Glück beim Mitsingen ungefähr so viele richtige Töne treffen wie ich beim Teebeutel-vom-Sofa-aus-in-den-Küchenkomposteimer-Werfen den WG-Küchenkomposteimer! (Gibt immer bewundernswert schöne Schleifspuren an der sich dahinter befindenden Fensterscheibe.) Und vor allem hasse ich es, wenn das Ganze exakt dann passiert, wenn ich ermattet von den Strapazen des Tages schlicht und einfach NUR SCHLAFEN will!!

Irgendwie muss ich es dann doch geschafft haben einzuschlafen, denn kurz nach Mitternacht werde ich höchst unsanft zärtlichst von der heimlich in´s Zelt gekrochenen kalten Nachtluft wach gerüttelt. Außerdem scheine ich mit dem Kopf bergab gelegen zu haben, denn dieser fühlt sich dick, schwammig und in etwa so an, als wäre ich im Stehen eingeschlafen.
Verkehrt herum.

Also meinen Rollmopsmöchtegernschlafsack und mich um 180 Grad gewendet, Augen zu und: "Go Schlaf!".

Das nächste Mal werde ich vom Zittern meiner eigenen Beine wach gerüttelt, die sich rebellisch unter der schützenden Decke hervor gekämpft hatten um sich an der frischen Nachtluft zu laben. 
Feine Sache.
Um 5.45 Uhr beschließe ich endlich, dass mein Körper genug Kalorien durch das sich inzwischen auf meine Zahnreihen ausgebreitete Zittern vergeudet hat und mache mich mit zugequollenen Augen, schlurfend auf den Weg zu den Campingplatzduschen.

Ich stehe also in der Duschkabine, freue mich schlotternd, dass die nasse Rettung naht, drehe den Schalter auf seine höchste Wärmestufe und drücke auf den „Beginn“ – Knopf.
Kalt.

Kalt.
Kalt.
Kalt.

Wtf?!

Nach zehn Minuten erbarmt sich der Wasserstrahl immerhin zu einem Kalt–Lauwarm.

Lauwarm..Lauwarm..Lauwarm..

3x muss ich den „Beginn“ – Knopf betätigen, der je 5 Minuten für Wasser sorgt, bis endlich siedend heißes Wasser meinen Körper von seinem Eisskulptur-Zustand zu erlösen beginnt.
Insgesamt 8 x drücke ich den Knopf zum Anschlag durch, bis ich endlich erschöpft behaupten kann: Welt, ich habe aufgehört zu zittern, jeah!

Nachdem ich zurück in meine Klamotten geschlüpft war, hätten mich keine zehn LKWs mehr zurück in das Tarp bekommen und so sank ich schlussendlich müde aber glücklich - da ich die zwar warmen aber doch eher unbequemen Toilettennischen für ungeeignet befunden hatte - mit einem (oder hunderten) tiefen Seufzern auf dem Sofa im Gemeinschaftsraum, an welchem ich zufällig vorbei gestolpert war, nieder.


Als ich am selben Morgen (jedoch zu einer angenehmeren Uhrzeit) zurück auf den eigentlichen Campingplatz trottete, hatte ich bald zwei durchaus belustigte Gesichter vor mir stehen, denen ich auf ihre Frage, ob ich denn gut geschlafen habe, geradeaus ein herzhaftes „NEIN!“ entgegen posaunte.

...und übrigens:
Learning by Burning!

Tarp-Aufbau-Versuch Nr. 2.
Ab dem 3. Tag hatte ich dann doch noch Zelteingangstüren.

Rammstein - Halt

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen