..aber es ist nicht so, dass wir nicht
oft genug versucht hätten, eine zu werden.
Widerwillig öffnet Nejal seine von
zarten Wimpern umrahmten, dunklen Augen und sein erster Blick fällt
auf die am Fußboden liegende Wanduhr. Sie ist noch immer da.
Gebettet auf ihrem eigenen Häufchen zersplitterten Glases liegt sie
nun schon dort, seit seine Mutter sie in einem Anflug an auflebender
Hilflosigkeit, zornig und mit letzten gesammelten Kräften dorthin
verbannte. Unaufhörlich drängt sich ihm seither das Bild dieser
schluchzenden Gestalt auf, die neben dem kleinen Wohnzimmertisch
zusammengekauert auf dem verblichenen Teppich kniet, verzweifelt die
Zeiger anschreiend, schneller zu kreisen.
Ablenkung suchend schleicht er mit ein
paar Schritten zur vernagelten Türe und blinzelt schüchtern den
staubigen Sonnenstrahlen entgegen, welche sich trotzig ihren Weg
durch die löchrigen Bretter gesucht haben.
Das bisschen Holz würde sie nicht
schützen können, hatte sein älterer Bruder zu ihm gemeint, bevor
er den rostigen Revolver aus der Nachttischschublade des Vaters kramte und im aufgewirbelten
Sand der tobenden Straßen verschwand. Genau wie sein Vater - drei
Jahre zuvor.
Vieles hatte sich seitdem verändert.
Die einst so prächtig leuchtenden Farben duftender Blumenbeete,
durchzog nun ein trostloser Schatten aus welkem Braun. Die damals von
zufrieden gurrenden Tauben besetzten Dächer ragten nur noch
vereinzelt, vernarbt und von der Vergangenheit gezeichnet gen Himmel
empor – und auch dieser war in den letzten Tagen gerade einmal
schemenhaft zu erahnen gewesen.
Durch die ausgestorbenen Straßen hallt
das Echo der Gegenwart. Prallt von den Häuserdächern ab, um sich
durch die rissigen Barrikaden hindurch bis ins Innerste eines jeden
Raumes vor zu drängen. Ein jedes Mal wenn das heisere Lied der
Sirenen zu spielen beginnt; ein jedes Mal, wenn die verängstigten
Familien in einer Ecke zusammengepfärcht das grollende Beben des
Erdbodens zu spüren erwarten; ein jedes Mal wenn auf dieses
bedrohliche Beben hin die klagenden Schreie aus der immer näher
schreitenden Ferne zu ihnen vordringen.
Ein jedes Mal dann, schweift der Blick
des Jungen zu dieser Uhr ab. Stillstehend in der Zeit, auf dem Haufen
ihrer eigenen Scherben gebettet, tot.
Wie lange noch wird sie dort liegen, um
sie schmerzhaft daran zu erinnern, dass wenn Herzen erst aufgehört
haben zu schlagen, es sinnlos ist, weiterhin nach neu verronnener
Zeit zu fragen. Denn es hört nicht so schnell auf. Die Zeit schließt
keine Kompromisse. Die Zeit verhandelt nicht. Und die Zeit nimmt
keine Rücksicht – ebenso der Krieg.
..und übrigens:
Ich kann mir noch so lange einreden,
dass es Blumen sind durch die ich schreite – am Ende sind nicht sie
es, die den darauf spielenden Kindern blutig ihre Illusionen eines je
wieder eintretenden, normalen Lebens zerreißen.
Greenday - Wake me up when September ends
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