Dienstag, 14. August 2012

Marina di Massa, Italien 1.8. -4.8.12


Geplante 6 Stunden haben sich mal eben zu beachtlichen 9 Stunden ausgedehnt, aber wenn sich nach 6 Stunden so langsam am Allerwertesten Druckgeschwüre anzubahnen drohen, machen´s die 3 Stunden hin oder her als Zugabe ja nu auch nicht mehr groß aus, richtig? Falsch! Schuld an dieser unfreiwilligen dekubitusfördernden Tankverschwendung sind zum einen mein bockwurstähnlicher Orientierungssinn, der mich aufmerksam und stets zuverlässig in Momenten meiner absoluten Verwirrung daran erinnert, dass ich ihn nicht habe - und andererseits die extreme Sparsamkeit, mit welcher Italien seine Straßen mit Schildern zu schmücken pflegt (gibt´s da Parallelen zur Finanzkrise?). Aber da hier so oder so jedermann auf Verkehrsregelungen einen (hierzulande) trockenen Dreck zu geben scheint, versetzt diese Gegebenheit mich auch nicht mehr allzusehr in Verwunderung. Der optimistisch gestimmte Rat einer deutsch-sprechenden Italienerin (nachdem ich – zu diesem Zeitpunkt bereits nur noch auf den letzten Tropfen meines Resttankes fahrend – 10km weit einen Berg hochgetuckert war, mit der stetigen Befürchtung, genannter restlicher Tropfen könnte ebenfalls im Nirwana verschwinden und mich dazu zwingen, ganz nach dem Motto „wer sein Moped liebt, schiebt.“ Dazu gezwungen sein, mein Maschinchen an den Hörnern zu packen und sie die übrigen paar Kilometer bergauf zu schleifen, in der Hoffnung, auf der anderen Seite bergab bis zur nächsten Zapfsäule rollen zu können) lautete - nachdem sie mir grinsend an höchster Stelle des Berges angekommen, zu verstehen gab, dass hier Endstation sei (hurra-.-) – Ich solle mich glücklich schätzen, sobald ich ein meiner Route zusprechendes Straßenschild aufgetrieben habe (einfangen und nie wieder los lassen!!) und daraufhin in einer sagenhaften Gutgläubigkeit die nächsten 20-30km darauf vertrauen, dass mein Gefühl bei allen weiteren Abbiegungen schon richtig sei, da Straßenschilder hier wohl zu einer enorm vor dem Aussterben bedrohten Spezies gehörten. Klasse. Vor allem wenn man sich in dem unscheinbaren, kleinen Metropölchen namens Milano befindet. Ich für meinen Teil habe jedenfalls eine pervers lange Stunde damit verbracht, mir einen Ausweg aus dem stickigen Gemisch aus höchst enthusiastisch lenkenden Kleinwagenbesitzern, beim Gehen einschlafenden Zebrastreifenüberquerern und anderen höchstwahrscheinlich seit Jahrzehnten durch den TÜV gerasselten 4- und 2-reifigen Umweltverpestern, zu bahnen.
Naja zumindest war ich auf diesem zugegebenermaßen etwas zu zeitlich ausgedehnten Teil meiner Tour wieder dazu befähigt, die digitale Geschwindigkeitsanzeige zu entziffern, die sich den Tag zuvor heimtückisch hinter dem sich vor mir in leichter Schräglage emporreckenden Turm  von Pisa aka. Tankrucksack, versteckte.
Wäre in dieser Verkehrsregelungenmeidenden Kultur aber wohl auch egal gewesen.

(Beginn der Alpennin-Berglandschaft, Italien) 

und übrigens:
Ich glaube man hält sich hier automatisch am besten an die Regeln, indem man auf sie scheißt.

Mein Motto bewährte sich trotz all dieser Strapazen langsam aber sicher (auch wenn mir die direkte Variante aufgrund der schweißtreibenden Temperatur doch lieber gewesen wäre – es fühlt sich nicht unbedingt so genial an, wenn man in der luftdichten Lederkluft auf einmal zu Schwimmen beginnt). So bin ich doch zumindest in den Genuss einiger sich Kilometer über die südliche Apennin-Berglandschaft ziehende, meine Arschmuskeln etwas entlastenden Kurven in vielversprechender Piniengesellschaft,  gekommen.
Schweißüberströmt und mit Used- oder noch besser: Wasted-Look verkörpernder Haarfrisur..nein, das kann ich beim besten Willen nicht mehr als Frisur durchgehen lassen, da sich keine einzelne Strähne mehr für eine Himmelsrichtung zu entscheiden scheinen konnte – schob ich meine Füße mit letzter Willensraft vor die Rezeption um daraufhin jegliche Wege zum zugeteilten Zimmer entlang zu pilgern – nur nicht die von der Rezeptionistin beschriebenen.
Mal ehrlich. Ich glaube ich habe die unglaublich unnütze Gabe, gezielt die Richtungen zu vermeiden, welche mir ausführlich erklärt werden. Vielleicht sollte ich ab sofort einfach nur noch entgegengesetzt zu meinem Verstand arbeiten, dann müsste sich meine Negativ-Version der links-rechts, vorne-hinten, oben-unten Geschichte doch irgendwie ausgleichen lassen, oder?

(einfach weil ich sie mag, die Pinien)

Im Zimmer wurde ich von einer Vollblüterin italienischer Gattung, begrüßt, die zwar in leicht schizophrenen Zügen zeitweise vor sich hin schwafelte, über alles und jenes zu schimpfen wusste, ansonsten jedoch ganz nett- und sogar etwas englisch zu sprechen bemächtigt war (Italiener mögen ja vieles können, z.B. Eiscreme herstellen, Pizza backen und im Verkehrsregelnbrechen sind sie ebenfalls Spitzenreiter – 1.Liga wirklich) aber eine Konversation auf Englisch kannste dir von vorne herein abschminken. Frag da mal nach dem Weg, denen ist egal, ob du auch nur ein einziges von ihnen an dich gerichtetes Wort verstehst – nein, sie überschütten dich mit einem Wortschwall aus italienischer Sülze, schmeißen energische Handbewegungen auf deinen Berg aus Planlosigkeit und falls dann dein Repertoire an Verwirrung noch ein kleines freies Plätzchen aufweisen sollte, geben sie dir mit einer Mischung aus bis zur Unkenntnis misshandelten Stadtnamen, „si si“s,  „no no“s, „allora“s und durch die herrlich idyllisch verstaubte Stadluft fliegende Gliedmaßen von Händen und Füßen, den Gnandenschuss.

(Jugendherberge in Marina di Masse, Italien)

Den Tag darauf traf ich in der, einer Villa gleichenden Jugendherberge, zwei deutsche Backpackerinnen und zwei holländische Reisende an (die Frage, ob man in Holland dauerstoned sei, beantworteten beide mit einem Nein – wieder was dazu gelernt), mit denen ich einerseits mein seit der Schulzeit etwas eingerostetes Englisch auffrischen- und andererseits den Mittag und Abend in einer Gesellschaft verbringen konnte, die nicht mit temperamentgeladenen italienisch sprachigen Salven auf mich zielte, in der Hoffnung, mein Sprachverständnis könne sich dadurch wie durch ein Wunder erweitern und ich, der italientischen Sprache mächtig werden.

(Sonnenaufgang am Hafen)

Was gibt´s noch zu erwähnen? Momentan werde ich von einer Horde, am Strand ihre kindliche Unschuld in knallhartem Kinderbier ertränkenden Minderjähriger wach gehalten, während ich selbst als rotierende Bazillenschleuder in meinem Bett liege und wie ein Rasensprenkler meine Keime in alle erdenklichen Richtungen hustete, soll ja schließlich keiner später behaupten können, er sei zu kurz kommen. Ich hoffe, dass der Großteil des Zimmers Ohrenstöpsel benutzt. Gute Nacht!

Buchtipp: "Sind wir schon da?" von Clemens Haipl
Hat inhaltstechnisch eine etwas einschläfernde Nebenwirkung mit der Zeit, ist aber auf eine ungewohnt unbefangene, geniale Art geschrieben.

PacoVolume - Wolves


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